BECHOL LASHON Deutsch – Berlusconis KZ-Vergleiche

daniel mosserivon Daniel Mosseri*

Ein paar Mal wurde er schon »Clown« genannt, doch ein Dummkopf ist Silvio Berlusconi nicht. Einen Großteil seiner Popularität verdankt der frühere italienische Premierminister einer Reihe von peinlichen Fauxpas: Meistens sind das Sexgeschichten, aber manchmal stolpert »Il Cavaliere« auch über seine ganz persönliche Interpretation der Nachkriegsgeschichte.

kalkül Als Berlusconi aber am Wochenende den SPD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Martin Schulz, angriff, war das kein Fehler. Wohlüberlegt sagte er: »Für die Deutschen haben die KZs ja nie existiert!« Das Kalkül des verurteilten Steuerbetrügers ist es, seine kränkelnde Partei Forza Italia, für die er laut Gerichtsbeschluss nicht kandidieren darf, aufzupeppen.

Umfragen zeigen nämlich, dass Forza Italia derzeit nur die drittstärkste Kraft ist, ja, dass Italien auf dem Weg zu einem Zweiparteiensystem ist. Die italienische Rechte setzt auf Anti-Euro-Rhetorik, aber alle wissen, dass Berlusconi nicht für das Ende des Euros eintritt. Trotz seiner Abneigung gegen Angela Merkel würde er eher für deren Spitzenkandidaten, Jean-Claude Juncker, stimmen. Also muss Berlusconi seine Partei, die zwar rechts, aber nicht antieuropäisch ist, anders positionieren.

nazi Zu diesem Zweck holt Berlusconi die gute alte »Nazi«-Beleidigung aus dem Schrank: Indem er Martin Schulz beschimpft, will er seine Partei als starke rechte Kraft etablieren. Die Deutschen aber sind so sehr von Berlusconis Bemerkungen über KZs gekränkt, dass sie den Aspekt, dass es gegen die Linke geht, gar nicht gehört haben. »Wer die Linke wählt, stimmt für Herrn Schulz, einen Mann, der unser Land nicht leiden kann«, hatte Berlusconi hinzugefügt.

Berlusconis Beleidigungen finden zwar zur Europawahl statt, haben aber mit Europa nichts zu tun. Sein Problem heißt Italien. Weil in den vergangenen Jahren die wirtschaftlichen Interessen Italiens Merkels und Schäubles Fiskalpolitik entgegenstanden, setzt Berlusconi bei diesen Wahlen ganz auf die italienische – und das heißt auch: antideutsche – Karte. Mit seinen Bemerkungen über Vernichtungslager will er zudem ungefragt eine projüdische Position vertreten, weil er glaubt, dass das in Europa gerade modern ist. Vielleicht hat sich Berlusconi hier ja von seinem guten Freund Putin anregen lassen.

*Der Autor ist freier Journalist in Berlin und berichtet unter anderem für Sky Italia, Libero Quotidiano und Panorama aus Deutschland.

(Jüdische Allgemeine Wochenzeitung, Mai 2014)