MIRAMARE Faszination und Schicksal
„Eure kaiserliche Hoheit! Ich habe die Ehre, diese Gelegenheit zu ergreifen, um über die Fortschritte der Arbeiten im Park zu berichten und gleichzeitig zu beobachten, dass sich die lang erwarteten Nachtigallen in Miramare angesiedelt haben. Ich passe mit größter Aufmerksamkeit auf ein Nest voller Amseln auf, das sich auf einem Lebensbaum neben der Kaffeemauer befindet; im Nest wachsen vier Jungen heran, sie werden von den Ausgewachsenen gefüttert; ich versuche, sie vor jeder Falle zu schützen und lasse sie auch von Anderen beobachten…“. Es ist April 1861. Der Autor dieser Worte ist der Hauptgärtner von Maximilian von Habsburgs, Anton Jelinek. Sie stammen aus einem seiner gewissenhaften botanischen Berichte. Der Erzherzog war der Bruder von Franz Joseph und ein sehr beliebter Kommandant der österreichisch-ungarischen Marine; er kontrollierte seine innere Unruhe, indem er die Meere befuhr und sagenhafte wissenschaftliche Missionen erfüllte. Genau auf der schicksalshaften und überaus eleganten Fregatte Novara, die ihn in den folgenden Jahren auf der Reise über den Ozean, zur Übernahem der mexikanischen Krone und zu seinem tragischen Schicksal führte, hatte er den böhmischen Jelinek kennengelernt, der danach zu seinem treuen Assistenten wurde. Ihre Korrespondenz erlaubt es uns heute, den unglaublichen naturalistischen und kulturellen Wert des Parks von Miramare zu rekonstruieren und die genauen Details seiner mühevollen Anlage zu erfahren. Dies zeigt aber auch die Humanität eines aufgeklärten Prinzens und seiner Mitarbeiter. Durch den Bau des Schlosses und der nahegelegenen Gebäude, sowie durch die botanische Zusammensetzung seines geliebten Parks, dessen Fortschritte er aus der Ferne verfolgte, wurde ein einzigartiges Erbe errichtet. Maximilian wünschte sich, dass dieses Erbe offen für alle sei, aber vor allem für die Einwohner von Triest: Die Stadt hatte schon begonnen, zur Hauptstadt der Identitäten und Minderheiten zu werden. Das Schloss, das dem Kontinent den Rücken zukehrt und zum Horizont des Mittelmeers blickt, hat seitdem viel gesehen: eineinhalb Jahrhunderte Geschichte, die tragischen Schicksale seiner Bewohner (nach Maximilian, unter anderen, auch der Herzog Amadeus von Savoyen-Aosta), die groteske Obszönität der Nazi-Besatzer, die dort im April 1945 Hitlers Geburtstag feierten, obwohl die Russen bereits Berlin erreicht hatten, und auch die amerikanischen Befreier, die die Stadt bis 1954 verwalteten. Alle waren sie eingenommen von der Faszination des Schlosses und forderten die Legende heraus, nach der das Schicksal all derer verloren sei, die es wagten, in den Zimmern zu schlafen, die einst Maximilian gehört hatten. Das Projekt zur Restaurierung des Schlosses und des Parks bedeutet heutzutage für Europa und Italien das Wiedererhalten eines wesentlichen Teils ihrer Identität, sowie eines Ortes des Zusammenkommens und der Kultur, dessen Faszination unvergleichlich ist…
Übersetzung von Anna Zanette, Studentin der Hochschule für Dolmetscher und Übersetzer der Universität Triest, mit Hilfe von Clara Ehret, Studentin der Universität Regensburg, Praktikantinnen in der Presseabteilung der Union der Jüdischen Gemeinden in Italien (UCEI).