BECHOL LASHON Deutsch – Ein Besuch in Predappio
Ich bin ein 21-jähriger Österreicher und leiste gerade meinen Gedenkdienst an der Fondazione CDEC in Mailand. Ich unternahm gemeinsam mit einem anderen Gedenkdiener, der gerade seinen Dienst an der Fondazione Museo della Shoah in Rom leistet, einen Ausflug nach Predappio.
Die 6500 Einwohner prägende Geburts- und Begräbnisstätte von Benito Mussolini liegt in der Provinz Forlì-Cesena, der Region Emilia-Romagna.
In dieser Gegend gibt es berühmte Weinbaugebiete, Predappio gehört nicht dazu.
Die Touristen, die es nach Predappio verschlägt, lockt etwas anderes. Das Erbe des Faschismus und dessen Vertreter Benito Mussolini.
Obwohl die Aktivitäten in Predappio angefangen vom Tagestourismus, wo pro Tag eine Hand voll Leute nach Predappio pilgern, bis hin zu den sogenannten Ehrentagen, wo Tausende nach Predappio strömen, keine Geheimnisse sind, gibt es in Italien meist eine große Gleichgültigkeit unter den Italienern. Die typische Verharmlosung des Faschismus und der Mussolini-Ära ist immer noch bei vielen verankert.
Unsere gemeinsame Reise begann von Bologna mit einem Regionalzug nach Forlì. Von dort aus mussten wir einen Regionalbus nach Predappio nehmen. Gewohnt an die Bilder der Großstädte Mailand und Rom befanden wir uns auf einmal in Mitten italienischer Hügellandschaften mit wenigen Häusern und Bewohnern.
Doch die Gebäude lassen sofort erahnen, dass es sich nicht um eine gewöhnliche Ortschaft der Emilia-Romagna handelt.
Alle Häuser um die Hauptstraße sind Schöpfungen von Mussolinis Architekten, angefangen vom ehemaligen Parteigebäude und „Haus der Gastfreundschaft“, oder dem ehemaligen Gebäude der faschistischen Jugend, bis hin zu gewöhnlichen Wohnhäusern.
Sämtliche Gebäude sind in Städteführern auf Italienisch, Französisch und Deutsch vorhanden.
Schon damals sollte Predappio ein Pilgerort werden, was sich bis jetzt nicht verändert hat.
Unsere erste Station war das Geburtshaus. Dort war gerade eine Ausstellung mit dem Namen „Il giovane Mussolini“ (Der junge Mussolini), welche Mussolinis Leben von 1883 bis 1914 zeigten. Die Ausstellung war sehr aufschlussreich und komplett unpolitisch gehalten.
Unser erster und letzter Lichtblick in Predappio in Hinsicht auf neutrale Darstellung des Ortes und deren Geschichte, die damit verbunden ist.
Von diesem Lichtblick ging es hinein in den traurigsten Höhepunkt von Predappio, nämlich die Souvenirgeschäfte.
Eine Tour nach Predappio, ohne in einem der Souvenirgeschäfte zu gehen, wäre ja nur eine halbe Tour. Also gaben wir uns das „Vergnügen“.
Folgende Situation: Wir gehen in das Geschäft begrüßen, die Verkäufer natürlich auf Italienisch, sprechen aber untereinander deutsch. Wir werden von der Verkäuferin gleich gefragt, von wo wir sind. Wir antworten, Österreich, was anscheinend die Sympathiewerte auf keinen Fall verringert, da sie und der andere Verkäufer plötzlich noch freundlicher wurden und uns einen kurzen verbalen Überblick über das Inventar gaben und uns erklärten, dass wir zwei T-Shirts um den Preis von einem bekommen würden.
Zur Auswahl gab es natürlich Klassiker, wie T-Shirts die, die italienische Flagge mit dem faschistischen Adler, oder mit Adolf Hitler und Mussolini Cover aufgedruckt hatten. Es gab aber auch besonders ausgefallene, wie ein Jude mit einer langen Nase im Comic-Style.
Wir waren keineswegs die einzigen Kunden. Zwei ältere Herren interessierten sich für faschistische Musik, während ein junger Mann eine Diskussion mit dem Verkäufer über einen Totschläger für sein Auto führte und seine Freundin sich Handycovers mit Hitler und Mussolini Bildern und der italienischen Flagge mit den faschistischen Adler anschaute.
Das war der einzige Ort, gemeinsam mit der Krypta Mussolinis, wo wir mehrere Menschen antrafen.
Die Ausstellung über Mussolinis Zeit als Sozialist, dürfte nicht so interessant sein für die meisten Touristen, die es nach Predappio zieht.
Vor dem Geschäft schlug uns der Seniorchef vor, unbedingt das „Mussolini Eis“ auf der anderen Straßenseite zu probieren.
Also holten wir uns ein Eis und legten eine wohlverdiente Pause ein.
Farbe des Eises? Schwarz, dunkle Schmelzschokolade. Geschmacklich sehr gut, wenn halt nicht der Name wäre.
Die sehr freundliche Verkäuferin fragte uns, ob sie uns den Weg zum Mausoleum von Mussolini erklären sollte. Wir teilten ihr mit, dass uns der Weg bekannt ist, und verabschiedeten uns.
Nächster Halt war das zweite Souvenirgeschäft, gleich neben dem anderen, aber mit anderen Inventar. Statt Musik, Feuerzeuge, T-Shirts und Krimskrams, gab es dort Büsten, Flaggen und Bilder.
Danach führte unser Weg vorbei an den faschistischen Bauten, zum Friedhof, in dem sich das Mausoleum der Familie Mussolini befindet. Der Eingangsbereich, bevor man hinunter in die Krypta, der Begräbnisstätte Mussolinis geht, ist komplett voll mit verschiedensten Widmungstafeln von rechten Organisationen und Personen.
Geht man die Stiegen hinunter, befindet sich man direkt vor Mussolinis Grab und Büste.
Die Grabstätte wimmelt nur von faschistischen Symbolen. Das, vor der Ruhestätte liegende, Kondolenzbuch, ist voll mit faschistischen und rechtsradikalen Äußerungen.
Der letzte, sowie der größte Höhepunkt unserer faschistischen Sightseeingtour.