KULTUR Eine Installation für die Finzi-Contini
Das Buch “Die Gärten der Finzi-Contini” (1962), der Roman, mit dem der Schriftsteller Giorgio Bassani weltberühmt wurde, beginnt mit einem Besuch auf einem etruskischen Friedhof. “Hatte man die Schwelle des Friedhofs überschritten”, berichtet der Erzähler, “wo ein jeder von ihnen ein zweites Haus besaß, in dem er schon das Lager bereitet hatte, auf dem er bald neben den Vätern ruhen würde, konnte die Ewigkeit nicht länger eine Illusion bleiben.” An diesen Gedanken heften sich Erinnerungen. Sie führen den Erzähler zurück nach Ferrara, in seine Kindheit und Jugend, zurück zum jüdischen Friedhof und zur monumentalen Gruft der (fiktiven) Familie, deren letzter Generation der Roman gewidmet ist. Gewiss, es sind am Ende die Deutschen, die Micòl und ihre Familie ermorden. Aber bis es so weit kommt, gibt es “moderne Juden”, die begeisterte Faschisten werden, halbaristokratische Juden, die sich in neugotischen Palästen unangreifbar wähnen, sowie selbstverständlich nicht-jüdische Italiener, die zu Antisemiten werden, sobald es von ihnen erwartet wird.
Der von hohen Mauern umgebene Garten ist die angeblich reale Metapher, die sie alle verbindet: ein Paradies, in das man gelockt und aus dem man verstoßen werden kann, ein Ort, an dem man sich geschützt glaubt, der sich dann aber als Kerker entpuppt.
Obwohl der metaphorische Charakter der Anlage offenbar ist, gibt es doch Besucher Ferraras, die, Bassanis Buch oder dessen Verfilmung durch Vittorio de Sica (1970) im Sinn, nach diesem Garten suchen. Ihnen weniger zum Gefallen, als vielmehr zur Herausforderung zeigt der israelische Künstler Dani Karavan, bekannt für die Gedenkstätte für Walter Benjamin in Portbou oder für das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Roma und Sinti in Berlin, gegenwärtig eine Ausstellung im neuen Jüdischen Nationalmuseum Italiens in Ferrara. Eine kleine Werkschau des Künstlers verbindet sich darin mit der Installation “Il giardino che non c’è” (“Der Garten, den es nicht gibt”). Etwa fünfzig Exponate gibt es darin zu sehen, darunter das Manuskript der “Finzi-Contini”, aufgeschlagen just auf der Seite, in der dieser Garten (es ist nur einer) beschrieben wird.
Zwei Objekte ziehen besondere Aufmerksamkeit auf sich: ein Stück Eisenbahntrasse, das ebenso den Weg ins Fantastische wie den Weg des Schreckens zu bezeichnen scheint. Und ein Entwurf für ein Denkmal, das eines Tages auf dem Hof des Museums realisiert werden soll: ein Garten mit zwei Umfriedungen, in deren erste die Eisenbahntrasse führt, dessen zweite aber nur mit einer Leiter zu überwinden ist – es ist der Weg, den der Erzähler im Roman nimmt. So sind dann Ausweglosigkeit und Idyll verbunden.
*Süddeutsche Zeitung, 1.2.2019