Wahlen und Zukunft
In Sesto San Giovanni haben die Wähler die Wahl zwischen dem Sohn eines Überlebenden der Shoah und der Tochter eines jener Anhänger der Italienischen Sozialrepublik, die einem Regime, das die Juden jagte und deportierte, treu ergeben waren. Beide sind Politiker, allerdings nicht in dieser Rolle als Nachkommen von Deportierten oder Salò-Soldaten, sondern als solche. Und als solche verkündet. Natürlich hört Fiano nicht auf, auf seine jüdische Identität ebenso wie auf seinen außergewöhnlichen Vater stolz zu sein. Aber nicht einmal hat Rauti diese Abstammung von einem Salò-Protagonisten, der später ein rechtsextremer Ideologe war, jemals verleugnet. Diese Möglichkeit der Wahlentscheidung – wen soll man ins Parlament schicken, die Nachkommen der Opfer oder die Anhänger eines Regimes, das sie verraten und ermordet hat? – sorgt für Unruhe. Aber ist dies nicht die Republik, die aus dem Widerstand, aus dem Bewusstsein der Shoah, aus dem “Niemals wieder” geboren wurde? Die Republik, die sich auf eine Verfassungscharta gegründet ist, die die Neugründung der aufgelösten faschistischen Partei in jeder Form ablehnt?
Ich habe Stimmen gehört, leider auch von jüdischer Seite, die sagten, dass man in die Zukunft blicken muss, auf die lebenden Juden von heute oder morgen und nicht auf die toten Juden von vor achtzig Jahren. Aber bedeutet vielleicht eine Stimmabgabe nicht, zu der Erschaffung einer Welt beizutragen, in der die Memoiren an die Shoah, die in der EU so mühsam als Garantie für das demokratische, antirassistische, nie antisemitische Kennzeichen des europäischen Aufbauwerks aufgebaut und aufgerichtet wurden, verschwinden werden? Ein Engagement für die Zukunft, nicht für die Vergangenheit, wenn auch im Namen von jener Vergangenheit. Nein, es ist nicht einfach zu glauben, dass diese Wahloption möglich ist. Dass in unserer Generation der Sohn eines Deportierten mit der Tochter eines Protagonisten und dann Ideologen jenes Regimes wetteifern muss.
* Historikerin
Übersetzt von Martina Bandini, Schülerin der Hochschule für moderne Sprachen für Dolmetscher und Übersetzer der Universität von Triest, Praktikantin in der Redaktion der Vereinigung der Italienischen Jüdischen Gemeinschaften – Pagine Ebraiche.