Venedig und die ausgewiesenen Rechtsanwälte Eine Gedenktafel, um nicht zu vergessen

Fünfunddreißig Rechtsanwälte wurden nach der schändlichen italienischen Rassengesetzen von 1938 aus den Verzeichnissen und Registern der Anwaltschaft von Venedig ausgeschlossen. Diese waren sowohl Männer als auch Frauen, an die nun mit der Enthüllung einer Gedenktafel mit ihren Namen in der Cittadella della Giustizia am Piazzale Roma erinnert wird. Der Oberrabbiner der Stadt, Rabbi Alberto Sermoneta, nahm unter anderem an der Zeremonie teil. Es handelt sich um eine Initiative, die ein bedeutendes Zeichen für Bewusstsein und Übernahme von Verantwortung darstellt. Sie lässt aber, wie erklärt der Präsident der jüdischen Gemeinde von Venedig Dario Calimani, auch viele Fragen unbeantwortet. „Es ist sicherlich ein verdienstvoller Akt, weil er die Schande jener Gesetze anerkennt. Letztes Jahr wurde eine ähnliche Gedenktafel zur Erinnerung an die 1938 vertriebenen Juden am Ateneo Veneto angebracht. Dennoch komme ich nicht umhin, mich Folgendes zu fragen: Wie kommt es, dass man fünfundachtzig Jahre auf diese Anerkennung warten musste? Warum geschah dies nicht kurz vor Kriegsende, als die nicht-faschistische Zivilgesellschaft die an den Juden begangenen Schandtaten hätte feststellen müssen?”.
Calimani hält es für wichtig zu betonen, dass Gedenktafel – wie die, die heute am Piazzale Roma angebracht worden ist – verdienstvolle Initiativen sind, die von Institutionen gefördert werden. „Es bleibt jedoch die Frage, warum dies nun geschehen ist”. Der Präsident der jüdischen Gemeinde von Venedig fügt hinzu: „Überraschenderweise wird der Faschismus auf diesen Gedenktafeln selten erwähnt. Es wird angegeben, dass die Opfer von einem Naturereignis und nicht von faschistischen Schandtaten getötet wurden”. Laut Calimani müssen jedoch auch hier zusätzliche Überlegungen angestellt werden. „Man wundert sich über die Instrumentalisierung des Erlasses der Rassengesetze und zieht nur dieses Ereignis in Erwägung. Aber in Wahrheit waren diese Gesetze das Vorzeichen zur Deportation. Sie schufen in der italienischen Gesellschaft ein Klima, das den Menschen gleichgültig gegenüber der Deportation der Juden machte. Darüber wird jedoch nicht gesprochen. Diesbezüglich sagt man lediglich ‘wir bedauern die Rassengesetze und distanzieren uns von ihnen’, aber man führt weder den Faschismus noch die Tatsache an, dass Italien seine Juden in Konzentrationslager überstellt hat.”
Calimani schließt mit den Wörtern: „Dieser Mangel ist für mich ein Beweis dafür, dass die italienische Nation noch nicht sein Gewissen geprüft hat. Es gab weder keine Überlegungen noch Aufnahme dessen, was Faschismus war. Als Italiener betrachten wir uns als Opfer des Nationalsozialismus und waren stattdessen seine Komplizen”.

Übersetzt von Valentina Megera, durchgesehen von Sofia Busatto, Schülerinnen der Hochschule für moderne Sprachen für Dolmetscher und Übersetzer der Universität von Triest, Praktikantinnen in der Redaktion der Vereinigung der Italienischen Jüdischen Gemeinschaften – Pagine Ebraiche.