Geschichten aus Polen, jenseits von Klischees

Von Anastazja Buttitta*

Es ist keine Neuigkeit, dass Polen viel Literatur und viele Nobelpreisträger hervorbringt. Der aktuellste Fall – Olga Tokarczuk – erhielt den berühmten Preis auch dank ihres Buches “Die Jakobsbücher”, das ein großer Erfolg beim Publikum zu Hause und in der ganzen Welt war (2020 von Miriram Berenstein ins Hebräische übersetzt). Es ist ein äußerst lebendiges und tiefgründiges Fresko aus dem Polen des 18. Jahrhunderts, in dessen Mittelpunkt die Geschichte des Pseudo-Messias Jacob Frank steht. Die Feministin und Ökologin Tokarczuk, die es gewagt hat, das Königreich Polen nicht gerade als glückliche Heimat für alle Religionen darzustellen, wird seit Jahren von der polnischen Rechten vehement bekämpft. Ein tragikomischer Fall war der Aufruf, ihr Exemplare des Buches zerstört und/oder mit bösen Kommentaren zu schicken. Ein paar Exemplare kamen an und wurden sofort versteigert, wobei der Erlös für wohltätige Zwecke verwendet wurde.
Mikołaj Łozinski, geboren 1980, Sohn und Bruder der Regisseure Marcel und Paweł, hat dagegen 2019 mit seinem Roman “Stramer” , der für mehrere Preise nominiert wurde und auch unter jungen Leuten viel gelesen wird, für Aufsehen gesorgt. Es ist die typische jüdische Geschichte eines jungen Mannes, der Anfang des 20. Jahrhunderts in die kleine galizische Stadt zurückkehrt, um zu heiraten und wer weiß was für ein unübersehbares Geschäft zu eröffnen. Die große Geschichte fließt, aber für das neue Paar geht es vor allem darum, das Leben zu leben, Kinder zu bekommen und sich in seine Gefühle zu stürzen. Als ob es kein tragisches kommendes Morgen gäbe.
Ein verlegerisches Juwel aus dem Jahr 2015 is der “Przewodnik po drzewie zywota” (Leitfaden für den Lebensbaum), herausgegeben und übersetzt von Professorin Ewa Geller. Es wurde 1613 gedruckt und ist das älteste weltliche Traktat in Polen mit medizinisch-ernährungswissenschaftlichem Inhalt in jiddischer Sprache. Sein Verfasser ist unbekannt, wahrscheinlich war er ein polnisch-jüdischer Arzt, der in Padua studiert hatte und mit einem nicht-religiösen Text erklären wollte, dass Juden und Nichtjuden im Angesicht von Krankheit und Tod grundsätzlich gleich sind.
Schließlich. Der Nike-Preis, der zum Teil von Adam Michniks Gazeta Wyborcza finanziert wird, ist wahrscheinlich der renommierteste polnische Literaturpreis. Im Jahr 2020 wurde er vom Tierarzt Radek Rak mit seiner historischen Fantasy-Geschichte “Basn o wezowym sercu…” (Die Zunge im Herzen…) gewonnen. Diese spielt in den Bergen Galiziens, inmitten der Häuser von Bauern, Juden und Adligen, und erzählt vom Leben der Letzten wie von Legenden voller Magie.

*Kunsthistorikerin

Übersetzt von Maria Cianciuolo, durchgesehen von Martina Bandini, Schülerinnen der Hochschule für moderne Sprachen für Dolmetscher und Übersetzer der Universität von Triest, Praktikantinnen in der Redaktion der Vereinigung der Italienischen Jüdischen Gemeinschaften – Pagine Ebraiche.