Meis und Miur, gemeinsames Engagement für Kultur und Didaktik
Die erste Tat der Podiumsrunde mit dem Titel “Teilnahme und Staatsbürgerschaft heute: die Herausforderungen der Aufnahme“, die eine zentrale Veranstaltung des Festes des Jüdischen Buches von Ferrara 2017 war, war die Unterzeichnung des Vereinbarungsprotokolls durch das Meis, das Nationale Museum des Italienischen Judentums und der Shoah und durch das Miur, das Ministerium für Bildung, Universität und Forschung in Italien. Das Protokoll trägt den Titel „Kollaborationsaktivitäten zu didaktischen und erzieherischen Initiativen für Schüler, Studenten und Dozenten im gesamten Bereich der Primär-, Sekundär- und Hochschulbildung“.
Es ist unterzeichnet worden durch die Ministerin Valeria Fedeli und durch Dario Disegni, Präsident des Meis; anwesend waren der Bürgermeister von Ferrara, Tiziano Tagliani, der Leiter Giorgio Zauli, der Referent der Region Emilia-Romagna für Schule, Bildung, berufliche Weiterbildung, Universität und Forschung, Patrizio Bianchi, sowie die Präsidentin des Instituts für Zeitgenössische Kunst von Ferrara, Anna Quarzi. Das Protokoll ist kein formaler Akt, wie die Ministerin während der Podiumsrunde mehrfach betonte, sondern vielmehr „ein präzises Engagement mit dem Ziel der Konkretisierung der Wörter Staatsbürgerschaft und Teilnahme“.
„Es handelt sich um ein Abkommen von enormer Bedeutung“, erklärte sie weiterhin, „eine präzise Entscheidung unseres Ministeriums: Staatsbürgerschaft setzt eine aktive Teilnahme und gleichzeitig die Anerkennung von Anderem und Diversität voraus, und ich möchte hinzufügen, dass jede Form der Diversität an der Bereicherung beteiligt sein und eine tragende Rolle dabei spielen muss.“
Diese Themen wurden besonders betont während der Podiumsrunde mit dem Titel „Teilnahme und Staatsbürgerschaft heute: die Herausforderungen der Aufnahme“, an der Noemi Di Segni teilgenommen hat, Präsidentin der Union der Jüdischen Gemeinden in Italien. Sie führte dort Gespräche mit der Ministerin Fedeli, dem Bürgermeister Tagliani, dem Bischof des Erzbistums von Ferrara-Comacchio, dem ehemaligen Direktor der Stiftung Migrantes und mit Mario Marazzati, Präsident der Kommission für Sozialwesen der Abgeordnetenkammer, sowie mit dem Botschafter Francesco Maria Talò, der von seinem Auftrag als italienischer Repräsentant in Israel zurückgekehrt war. Zur Eröffnung des Treffens hieß die Leiterin des Meis, Simonetta Della Seta, die Anwesenden willkommen und es gab eine Einführung durch den Präsidenten Dario Disegni, der erklärte, inwiefern die Unterzeichnung des Protokolls den ersten Schritt zu einem präzisen Programm von Bildungsaktivitäten darstelle, für welche das Miur und das Meis zusammenarbeiten. Das Miur ist verantwortlich für die Verringerung der Ungleichheiten und so verstärkt und fördert es die soziale, wirtschaftliche und politische Integration. Außerdem kümmert es sich um die Verbreitung des Wissens über die mit dem Judentum verbundenen Themen und die Weitergabe der Bedeutung der Erinnerung an die Shoah und des interkulturellen Austauschs an die jüngeren Generationen. Zu den Aufgaben und Zielen des Meis gehören die Verbreitung von korrektem Wissen über das Judentum mit seiner Kultur und seinen Werten, zusätzlich zu einem konkreten erzieherischen und wissensbasiertem Engagement.
Folglich wird das Meis in Aktivitäten zwischen Schule und Arbeit tätig sein und es stellt sich zur Verfügung, in Schulen bei Bildungsaktivitäten zum Thema Staatsbürgerschaft mitzuwirken und dabei das Wissen über die jüdische Minderheit und die Shoah in Zusammenarbeit mit italienischen, ausländischen und internationalen Stiftungen und Forschungszentren zu fördern. Ein weiterer wichtiger Teil des Engagements befasst sich mit der Bildung der Dozenten durch Kollaborationen in didaktischen und wissenschaftlichen Bereichen der italienischen Hochschulbildung. Ein gut durchdachtes und aufwändiges Projekt, dessen Ziele während der Podiumsrunde, wenn möglich, noch klarer herausgearbeitet worden sind: die Unterzeichnung eines ähnlichen Protokolls anlässlich des Festes des Jüdischen Buches als eine offene und mutige Grundsatzentscheidung und als Engagement, den Reichtum an Lehren aus einer Geschichte von Migration, Diaspora, Diskriminierung und Interration zu sammeln.
Weitsichtige Politik ist wichtig und die Phänomene der Migration, die Italien seit ein paar Jahren betreffen, haben gezwungenermaßen die Wahrnehmung von Verantwortung und Pflichtgefühl verändert. Es ist wichtig, sich Notwendigkeiten, die nicht immer konkret sind, nicht mehr unvorbereitet zu stellen: um von Integration sprechen zu können, reicht es nicht, ein Haus zur Verfügung zu stellen, man muss wissen, wie man Menschen miteinbezieht, kennenlernt und sich selbst kennenlernen lässt, und vor allem müssen die Neuangekommenen Rechte bekommen, sodass sie auch in weniger dringend erscheinenden Notsituationen bei der Sozialisierung bis zur Kultur, bei der Säkularisierung bis zur aktiven Teilnahme an demokritischen Entscheidungen im Land, in dem sie sich befinden, anerkannt werden.
Das jüdische Volk war Vorläufer der Globalisierung, bewahrte dabei jedoch seine eigene Identität, und die Aufgabe des Meis ist es, in diesem Sinne eine große Werkstatt der Kultur zu werden, wo Italiener verstehen können, was es bedeutet, zusammen zu bleiben und sich gegenseitig zu bereichern. Die Präsidentin der Union der Jüdischen Gemeinden in Italien sprach über das Meis selbst und erinnerte das große Publikum und die anwesenden Autoritäten, dass die Herausforderung des Museums nicht nur darin bestehe, Objekte des Judentums auszustellen, sondern vielmehr die Geschichte eines Menschen, der all dies erlebt hat, zu erzählen, die Geschehnisse während des über zweiundzwanzigjährigen Aufenthalts auf italienischem Boden als starkes identitäres und kulturelles Element, mit der Fähigkeit zur Integration. „So wie es die jüdischen Gemeinden sind“, erklärte sie, „ist es wichtig, Begegnungspunkte zu schaffen, die keine Orte sein dürfen, die Menschen ausschließen, sondern eben Gemeinden, Orte, wo man Momente von Kultur, Kult, Zusammenkommen und strukturierter institutioneller Repräsentation wiederfinden kann, die einen wichtigen Teil der Erinnerung bilden, anlässlich der dreißig Jahre seit der Unterzeichnung des Abkommens durch die Union der Jüdischen Gemeinden in Italien und den italienischen Staat.“
Die jüdischen Gemeinden bewahren die Erinnerung an das Erlebte, beispielsweise an die Shoah, weil es eine nützliche Mahnung an alle ist, sowie es wichtig ist, dass jeder weiß, wie die Juden Italiener geworden sind – ein Beispiel für vollständig geglückte Integration ohne das Aufgeben der eigenen Identität, Traditionen und Kultur. Das Investieren in Schule, Bildung und Kultur ist essentiell für das Gelingen von Integration und Staatsbürgerschaft und ohne Integration gibt es nicht nur Probleme mit Sicherheit und öffentlicher Ordnung, man riskiert auch, all das zu vergessen, wenn die unmittelbare Notsituation behoben worden ist. Man muss eingreifen und alle zur Verfügung stehenden Ressourcen nutzen, von Schulen bis zu Vereinen, von kulturellen Institutionen bis zu Sport- und Erholungszentren. Dies ist unerlässlich, wenn man den Neuangekommenen helfen will, sich einzugliedern, sich zu integrieren und schließlich den genauen Sinn der zwei Schlüsselwörter des Tages interpretieren zu können: Teilnahme. Und Staatsbürgerschaft.
Übersetzung von Clara Ehret, Studentin der Universität Regensburg und Praktikantin bei der Zeitungsredaktion der Union der Jüdischen Gemeinden in Italien (UCEI)